27. Oktober 2020

Automobilbranche: Werksschließungen und Kündigungen

9.000 Stellen bei Shell, 13.000 Stellen bei Continental, 6.000 Stellen bei BMW – um nur einige Namen und Zahlen zu nennen. In sämtlichen Segmenten der Automobilbranche planen Traditionsunternehmen massive Personalkürzungen – mit Folgen.

Die Stadt atmete wegen der im Sommer zurückgegangenen Corona-Infektionen gerade etwas durch. Die Aachener konzentrierten sich auf die Kommunalwahl, und sie freuten sich, trotz der Pandemie das jährliche „Umsonst-und-draußen“-Stadtfest – das September Special – besuchen zu können. Da erschütterte sie die Meldung, dass das seit 1929 im Osten der Stadt befindliche Reifenwerk geschlossen werden würde. 1.800 Mitarbeitende sollen Ende 2021 auf der Straße stehen.

Firmenzentralen setzen den Rotstift an

Entschieden – und trotz eines umgehend aufgenommenen Protests von Gewerkschaft, Politikern und Mitarbeitern nebst Familien dann auch vom Aufsichtsrat bestätigt – wurde die Werksschließung in Hannover: am Hauptsitz des Automobilzulieferers Continental. Allein in Deutschland müsse man 13.000 Stellen abbauen, um weiter profitabel zu sein. Das Werk in Aachen sei nicht zukunftsfähig, Überproduktionen innerhalb Europas würden die Schließung erfordern. Auch andere Standorte stünden auf der Kippe.

Continental Aachen
Auch die Familien der Continental-Mitarbeiter gingen auf die Straße – viele von ihnen sind Familienväter, die Raten für ein Eigenheim abtragen müssen. Bild: VIA Delcredere GmbH, 2020.

In der Tat ist die Automobilindustrie – das ist bekannt – seit Jahren unter Druck. Weltweit brachen Absätze ein, die Märkte und vielerorts auch die Politik zwingen zur Entwicklung neuer Antriebstechnik, die digitale Disruption erfordert die komplette Umgestaltung von Prozessen von der Entwicklung über das Manufacturing bis zur Vermarktung. Parallel erobern neue Player den ohnehin schrumpfenden Markt, während Zulieferer, die seit Jahrzehnten für Verbrenner produzieren, sich plötzlich ohne Plan B wiederfanden.

Das Risiko steigt weiter

Gerade ein Jahr ist es her, dass der Kreditversicherer Atradius bereits deutlich vor Forderungsausfällen warnte (wir berichteten). Auch geplante Werksschließungen und Stellenstreichungen stehen seit Jahren im Raum. Unter dem Eindruck der Corona-Krise nun aber hat sich die Lage weiter verschärft. Zahlreiche Unternehmen der Automobilbranche kündigten in den vergangenen Wochen Sparmaßnahmen an. Darunter sind Zulieferer, aber auch Hersteller: Daimler plant beispielsweise bis zum Jahr 2025, 4.000 Stellen in Untertürkheim bei Stuttgart zu streichen. Der Nutzfahrzeuge-Hersteller MAN will „innovativer, digitaler und nachhaltig profitabler“ (so Chef Andreas Tostmann) werden und dazu auf 9.500 Mitarbeiter verzichten.

Während Elon Musk nun also rund 35 Kilometer vom Brandenburger Tor entfernt seine Gigafabrik für Elektroautos errichtet – und dafür geschätzte vier Milliarden Euro investieren will –, setzen seine Wettbewerber landauf, landab den Rotstift an.

Wenn Märkte schrumpfen, sind Ideen vonnöten

Deutschlands Schlüsselindustrie: So nennt man die Automobilindustrie. Ihre jahrzehntelang stabile Rolle als Arbeitgeber, Innovationstreiber, Exportmacht und Steuerzahler ist nicht zu unterschätzen. Ihre Diversität – verschiedene Standorte über alle Bundesländer, Familienunternehmen bis Konzerne, ungelerntes bis hochspezialisiertes Personal – sorgte immer für unerschütterliche Sicherheit. Vielerorts sind die Unternehmen verwoben mit weiteren, lokalen Dienstleistern. Über Steuerzahlungen sind sie verlässliche Financiers von Kommunen, Stiftungen und Vereinen.

Auch in Aachen werden diese Gelder künftig fehlen. Dabei sichern sie die Attraktivität der Stadt, denn wie soll es ohne passenden Wohnraum, ohne eine moderne Infrastruktur und ja, auch ohne ein kostenfreies jährliches Stadtfest gelingen, als Wohn- und Arbeitsort in Rennen zu bleiben? Die Studierenden der RWTH nach ihrem Abschluss in der Stadt zu halten oder sogar neue kluge Köpfe anzulocken? Diesen Herausforderungen muss man sich stellen – weit über Continental und weit die Automobilindustrie hinaus.

Welche Branchen betroffen sind

Den Kommunen wird aber nicht nur wegen der rückläufigen Gewerbesteuereinnahmen ihrer Automobilunternehmen das Geld knapp. Als Nachwirkung der Corona-Krise – die ja aktuell noch nicht einmal überstanden ist – steigen die Sozialausgaben. In der Folge werden die Kommunen, aber auch andere öffentliche Institutionen nicht mehr im gewohnten Umfang investieren können. Handwerker und Dienstleister müssen sich auf seltenere Ausschreibungen einstellen (mit dem Wissen, dass diese ohnehin häufig keine sichere Bank waren). Und ob die Städte in den nächsten Jahren viel für den darbenden Einzelhandel tun können? Die Fußgängerzonen aufmöbeln, Veranstaltungen organisieren, in Stadtmarketing investieren können? Steht in den Sternen, wie so vieles dieser Tage.

Klar ist: Wenn Menschen ihre Arbeit verlieren oder sich darauf einstellen müssen, schrauben sie ihren Konsum als erstes zurück. Die FAZ etwa zitiert einen Continental-Mitarbeiter, der nun bis Ende 2021 Geld zurücklegen möchte. So wird es vielen gehen, mit den entsprechenden Folgen für den Einzelhandel von Kleidung, Möbel über Elektronik, die Reisebranche oder – auch wieder: die Automobilbranche. Diese Lage sehen wir nicht nur in Aachen, sondern weltweit: Wer etwa soll in den USA ein neues Auto kaufen können, wenn Hunderttausende Amerikaner wegen der Corona-Pandemie gerade ihre Jobs verloren haben?

Immerhin, es gab zuletzt auch Hoffnungsschimmer: Die Norweger schätzen offenbar Elektroautos der Fabrikate VW und Audi, BMW und Daimler konnten für das dritte Quartal überraschend Milliardengewinne vermelden und auch der riesige Absatzmarkt China soll wachsende Potentiale versprechen. Entscheidend bleibt – für die Branche selbst wie alle, die mit ihr verwoben sind – die Wahrung der Liquidität. Nur so können aus gescheiten Ideen auch kundenzentrierte Produkte, nur so können schwerfällige Prozesse neu erfunden und nur so kann die Branche zukunftsfähig bleiben.

Was Sie tun können

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