11. April 2024

EU-Verordnung zum Zahlungsziel im Geschäftsverkehr soll KMU stärken

Bereits 2011 erließ die EU eine Richtlinie, die zum Schutz von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) vorsah, dass im normalen Geschäftsverkehr keine Zahlungsziele von mehr als 60 Tagen vereinbart werden sollen, wenn dies für den Gläubiger nicht grob nachteilig ist. Damit sollte die Liquidität der KMUs gestärkt werden, indem sie nicht mehr von langen Zahlungszielen von größeren Unternehmen und Behörden unter Druck geraten sollten. Nun soll die Richtlinie in eine Verordnung übernommen werden, die weitere Verschärfungen vorsieht.

Wie würden KMUs von der neuen Vorschrift profitieren?

Lange Zahlungsziele sorgen dafür, dass der Liquiditätsbedarf oft durch Fremdmittel gedeckt werden muss. Hier kommen meist Kontokorrentlinien oder Bankkredite zur Anwendung. Bei sehr langen Fälligkeitsfristen spielt auch Factoring eine immer größere Rolle. Dadurch werden laut den Studien der EU gerade KMUs stark von diesen Kreditgebern abhängig. Gleichzeitig ist mangelnde Liquidität der häufigste Grund für deren Zahlungsunfähigkeit.
Daneben wird ein starkes Ungleichgewicht bei der Vertragsgestaltung konstatiert. Große Unternehmen setzen zur Verbesserung Ihrer eigenen Finanzlage aufgrund Ihrer Dominanz (unnötig) lange Zahlungsziele durch. Diese Situation möchte die EU ändern, um den volkswirtschaftlichen Schaden aus den daraus resultierenden Ausfällen zu mindern.

Von der Richtlinie zur Verordnung. Warum dieser Schritt?

Die bisherige Richtlinie stellt einen Rahmen dar, der den Mitgliedsstaaten der EU ein einheitliches Gerüst für eine einheitliche, juristische Gestaltung der entsprechenden Rechtsnormen zur Verfügung stellt, erfordert aber keinen konkreten Nachweis von Maßnahmen zur Umsetzung. Nach Auffassung der Europäischen Kommission hat dies in den letzten 23 Jahren auch nicht zu dem gewünschten Effekt geführt. Immer noch bewerten die KMU in Europa Zahlungsverzug als das zweitgrößte Problem, direkt nach Regulierungs- und Verwaltungsauflagen. Häufig müssen Zahlungsziele von bis zu 120 Tagen hingenommen werden. Mit der Umwandlung in eine Verordnung sind die EU-Mitglieder nun gefordert, die eigenen Gesetze und Verordnungen zu überarbeiten. Das Ziel der Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz der KMU soll ebenfalls bewirken, dass durch schnelleren Zahlungseingang mehr Möglichkeiten zum Investieren geschaffen werden, sowohl technisch als auch personell, und der Fluss von Steuern stabiler wird. Dies verschafft den lokalen Finanzbehörden bessere Planbarkeit der Haushalte.

Kommt hier ein bürokratisches Monster auf uns zu?

Einerseits bietet die neue Verordnung einen detaillierteren Rahmen, da Abweichungstatbestände verringert und klarer genannt werden. Die Einhaltung des maximalen Zahlungszieles von 30 Tagen wird unter anderem mit einer obligatorischen Verzinsung von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins untermauert; ohne Ausnahme! Ein wichtiger Punkt wird aber sein, wie die einzurichtenden Schlichtungs- und Meldestellen aufgebaut sein werden. Jeder Staat ist angehalten, entsprechende Durchsetzungs- und Mediationseinheiten zu benennen bzw. einzurichten. Darüber hinaus möchte man bürokratischen Mehraufwand bei Gerichten vermeiden und die Möglichkeit, einfacher Schlichtungsverfahren zu schaffen. Ob dies funktionieren wird, kann erst die praktische Ausgestaltung zeigen. Die Hoffnungen, die an die Verordnung geknüpft werden, sind jedenfalls hoch.
Die Berechnungen gehen so weit, dass durch die angestrebten Maßnahmen die KMU pro Jahr um fünf Personentage entlastet werden. Dies ergibt eine berechnete Summe von fast 9 Mrd. Euro für den EU-Wirtschaftsraum. Pro Tag schnellerem Zahlungseingang nimmt man eine Verbesserung des Cash-Flows von 0,9% an. Hinzu kämen weitere 27 Mio. Euro durch eingesparte Gerichtsverfahren, die sich über die Schlichtungsstellen lösen. Dem stünden gerade einmal 243 Mio. Euro einmalige Kosten gegenüber, die für die Änderungen der Standard-Zahlungsbedingungen aufgebracht werden müssten.  

Werden die steigenden Insolvenzzahlen durch die Maßnahmen beeinflusst?

Der verbesserte Cash-Flow soll der wichtigste Faktor dafür sein, dass sich die Zahl der Insolvenzen unter den KMU verringern wird. Diese machen rund 99% der ca. 24 Mio. Unternehmen der EU aus und sorgen für etwas 50% der gesamten Wertschöpfung. Die Verringerung von Pleiten in diesem Bereich wäre ein starker Beitrag zur Verringerung des dadurch verursachten, volkswirtschaftlichen Schadens.
Auf der Kehrseite ist zu bedenken, dass die teils drastische Verringerung von etablierten Zahlungszielen gerade bei den Schuldnern zu anfangs deutlich angespannter Liquidität führen wird. Die Verordnung wirkt sich nämlich auch auf die Zahlungsbedingungen der KMU untereinander aus! Langfristig lassen sich die Ziele und Berechnungen der EU nachvollziehen. Und tatsächlich hat die Coface zu Beginn dieses Jahres für Polen festgestellt, dass sich die Zahlungsziele verkürzen. Ob in der aktuellen Situation mit wachsenden Ausfällen, hohem Kostendruck und schwieriger Liquiditätsplanung sowie steigenden Zinsen genau die erwarteten Effekte eintreten werden, ist wohl mit einigen großen Fragezeichen zu versehen! Und die geopolitischen Unwägbarkeiten und Entwicklungen sind kaum zu bewerten. Umso wichtiger wird es bleiben, Geschäftsbeziehungen auf guten Informationen und Prozessen aufzubauen. Sei es bei der Informationsbeschaffung, über die Liquiditätssicherung bis hin zur Absicherung unvermeidlicher Ausfälle. Alle diese Bausteine verdienen Aufmerksamkeit und erweisen sich regelmäßig als nützlich, um den Unternehmenserfolg langfristig zu sichern.

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