3. November 2018

Insolvenzen in Eigenverwaltung: Unverhofft kommt oft

Immer häufiger müssen Unternehmer hinnehmen, dass ihre stabil geglaubten Geschäftspartner plötzlich eine Insolvenz in Eigenverwaltung eröffnen. Bonitäten und Geschäftsentwicklung gaben vorab keinen Anlass zu Sorge, weder für den Kreditversicherer noch für die Lieferanten. Es drohen Schäden. Nicht nur deshalb steht das zugrunde liegende Gesetz in der Kritik.

Risiken und Bedrohungen gibt es für Unternehmen viele – ganz gleich, ob durch typische Branchenkrankheiten, wie sie etwa im Bäckerhandwerk oder im Einzelhandel grassieren, durch globale Veränderungen im Wirtschafts- und Finanzkreislauf wie Zölle oder den Brexit oder auch durch ganz individuelle Belastungen wie zu hohe Pensionsverpflichtungen verursacht. Was liegt da näher, als die Zukunft des Unternehmens durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung zu sichern?

Rette sich, wer kann

Das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) wurde genau dafür geschaffen: Unternehmer sollten das Ruder herumreißen können, bevor ihre Firma komplett zahlungsunfähig ist. Es sollte ermöglicht werden, Unternehmen zu sanieren – im Sinne des Fortbestands der Geschäftstätigkeit, ihrer Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit. Großer Vorteil des ESUG: Anders als bei einer Regelinsolvenz darf die Geschäftsführung weiter im Amt bleiben und sämtliche Entscheidungen unter den Augen eines zur Seite gestellten Sachwalters treffen. Das erleichtert Unternehmen den Schritt der Antragsstellung und sollte langfristig auch das Image einer Insolvenz verbessern: Aktives Umstrukturieren statt Scheitern. „Eine ESUG-Insolvenz kommt dennoch meist überraschend“, spricht VIA-Geschäftsführer Heiko Walter das Risiko für die Gläubiger an, „und es zeichnet sich ab, das die großen ESUG-Verfahren auch in diesem Jahr zu den Großschäden der Versicherer zählen.“

ESUG
67 Prozent der Insolvenzen in Eigenverwaltung entfielen auf kleinere Unternehmen. Bei 39 Prozent scheiterte die Eigenverwaltung, als Ursache wird auch eine minderwertige Beratung vermutet. Wer den Weg der Eigenverwaltung geht, sollte einen kompetenten, erfahrenen Partner wählen. Grafik: VIA Delcredere, 2018.

Gläubiger haben das Nachsehen

2012 trat das Gesetz in Kraft, mit der Auflage einer Evaluierung nach fünf Jahren. Der betreffende Bericht eines vom Bundesjustizministerium beauftragten Wissenschaftlerteams bescheinigt dem ESUG nun – 2018 – auf 300 Seiten jedoch diverse Mängel und fordert Nachbesserung. Das Gesetz begünstige die Sanierung „auf dem Rücken“ der Gläubiger. Schließlich können sich Unternehmen, die sich in einer solchen Insolvenz in Eigenverwaltung oder in einem Schutzschirmverfahren befinden, deutlich schneller und leichter als üblich aus lästigen Verpflichtungen freischlagen: Miet- und Kreditverträge für Ladenlokale, Geschäftsräume und Maschinen, sogar Arbeitsverträge und Pensionsrückstellungen – alles ist leichter und mit teilweise deutlich herabgesetzten Fristen kündbar.

Denn: Im Vordergrund steht die Sanierung des Unternehmens. Auch wenn es nötig ist, dabei die eigenen Mitarbeiter (bei verkürztem Sozialplan) über die Klippe springen zu lassen. Und: Die Geschäftspartner auf Forderungen sowie auf langfristig angelegte Lieferverträge verzichten müssen. Eine Studie der Unternehmensberatung BCG immerhin fand bereits im Vorjahr heraus, dass die hinzunehmenden Forderungsverluste der Gläubiger geringer ausfallen als bei einer Regelinsolvenz. Auch die aktuell vorliegende Studie kommt zu dem Schluss, dass das Gesetz in der Praxis weitgehend positiv aufgenommen werde und insbesondere eine Rückkehr zum früheren Recht nicht veranlasst sei.

Nachbesserungen auf der langen Bank

Es gelte aber, sagt der Bericht, jetzt Einzelfragen zu verbessern. Zwar wurden seit Inkrafttreten des ESUG gerade einmal 2,7 Prozent der Unternehmensinsolvenzen in Eigenverwaltung durchgeführt. Darunter waren aber einige Großinsolvenzen wie Air Berlin und Solarworld. Und: Viele Insolvenzen in Eigenverwaltung münden schließlich doch in Regelinsolvenzen. Dies führt zu enorm hohen Kosten – und von der verkürzten Verfahrensdauer ist ebenfalls nichts mehr übrig. Hier soll künftig strenger über Zugangsvoraussetzungen entschieden werden. Auch die Rolle des Sachwalters – dem in der Vergangenheit gelegentlich wegen seines Abhängigkeitsverhältnisses zu hohe Nähe zur Geschäftsführung unterstellt wurde – soll überdacht werden.

Die Revision des Gesetzes indes wird länger dauern, denn das Bundesjustizministerium wartet noch auf Hausaufgaben aus Brüssel. Dort nämlich arbeitet man an einer Richtlinie zum „vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren“, die wiederum Gemeinsamkeiten zum ESUG aufweist und schließlich auch in das Insolvenzgesetz eingearbeitet werden muss, ohne alle Maßnahmen und Instrumente miteinander zu vermengen.

Es warten also weitere Jahre mit rechtlichen Unsicherheiten auf Schuldner und Gläubiger. Und auf Kreditversicherer, die bereits jetzt einen immer größeren Balanceakt vollziehen, wenn sie das Insolvenzrisiko einer Firma bewerten und Kreditlimite zeichnen wollen. Gut für den Versicherungsnehmer: Die Zeichnungsquoten liegen derzeit auf einem sehr hohen Niveau, auch im Bereich der Unternehmen mit leicht schwächerer bis mittlerer Bonität. Wenn die Zahl der Insolvenzen in Eigenverwaltung weiter zunimmt, wird sich dies leider auch auf die Zeichungsbereitschaft der Kreditversicherer negativ auswirken.

Fragen Sie uns

Für Sie gilt: Nicht verzagen, VIA fragen! Wir finden die Absicherung, die zu Ihrem Unternehmen passt.

Ihr Ansprechpartner:
Heiko Walter, Geschäftsführer
Telefon: (0 22 72) 919 85-15
E-Mail: h.walter(at)viadelcredere.de

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