Seit einigen Wochen bereits wurde debattiert, nun ist es beschlossen: Der Zugang zum vereinfachten Kurzarbeitergeld ist auf 24 Monate verlängert, die Insolvenzantragspflicht bis Ende des Jahres 2020 ausgesetzt. Was zum Schutz deutscher Unternehmen gedacht ist, kann sich jedoch als Bumerang erweisen.
Rund ein halbes Jahr nach Beginn der Corona-Krise stehen noch immer ganze Sektoren der Wirtschaft nahezu komplett still: Die Veranstaltungsbranche beispielsweise beklagt massive Umsatzausfälle, Messebauer und Eventtechniker befinden sich zu nahezu 100 Prozent in Kurzarbeit. Die Gastronomie behilft sich ein wenig über einen größeren Außenbereich – erreicht aber durchschnittlich maximal die Hälfte des üblichen Umsatzes. Mit Grauen blicken die Wirte schon jetzt auf die kalten Monate, in denen nötige Abstands- und Hygieneregeln innerhalb der Gasträume kaum wirtschaftlich umgesetzt werden können. Einer DEHOGA-Umfrage zufolge fühlen sich fast 60 Prozent der Gastrobetriebe in ihrer Existenz gefährdet. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Touristik: Nur die Hälfte des üblichen Umsatzes für Hotels und andere Herbergen, der Luftverkehr massiv beeinträchtigt, die Reisebüros wegen unzähligen Reisewarnungen unter Druck. Weltweit habe die Branche Verluste in Höhe von 320 Milliarden Dollar verzeichnet und könne mehr als 120 Millionen Arbeitsplätze verlieren, so der UNO-Generalsekretär Guterres.
Der Staat soll retten, der Staat riskiert
Während die Welt im Februar/März noch zuversichtlich darauf hoffte, dass Stilllegen von Veranstaltungen und Einführen der Hygiene- und Abstandsregeln würde vorübergehender Natur sein, wissen wir nun: Das bleibt erst einmal so. Das Coronavirus ist noch immer da, eine Impfung oder ein wirksames, erprobtes Medikament dagegen nicht.
Die Forderungen aller Branchen sind daher nachvollziehbar. Der Staat muss weiter unterstützen. Soforthilfen, Kurzarbeitergeld und Erleichterungen im Insolvenzrecht sollen auch in den nächsten Monaten vor einer Pleitewelle und den Entlassungen zehntausender Menschen bewahren. Diese Instrumente haben sich als zentrale Hebel definitiv bewährt. Sie sind aber auch darauf angelegt, kurzfristig zu helfen. Entpuppt sich die Corona-Krise nun jedoch nicht als vorübergehend, sondern mit massiven Umsatzausfällen bis weit ins nächste Jahr hinein anhaltend: Dann kann sich besonders die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in einen Bumerang verwandeln.
Insolvenzantragspflicht: Die Regelung bis Jahresende
Rückwirkend zum 1. März 2020 hatte die Bundesregierung eine Lockerung des Insolvenzrechts beschlossen: Unternehmen, die wegen der Corona-Krise in wirtschaftliche Schieflage gerieten, konnten von der Insolvenzantragspflicht befreit werden. Damit sollten diese Unternehmen restrukturiert und saniert werden. Die Regelung war zunächst befristet bis 30. September 2020, und das Heranrücken des Datums erfüllte zuletzt nicht wenige Unternehmen und ihre Angestellten, aber auch Politiker und Wirtschaftsbeobachter mit Sorge. Schließlich ist die Lage inzwischen nicht besser als vor fünf Monaten. Am 26. August 2020 verlängerte die Bundesregierung nun die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Dabei fügte sie jedoch Einschränkungen hinzu: Ab Oktober 2020 werden nur noch die Unternehmen von einer Insolvenz verschont, die als überschuldet gelten. Ist dagegen bereits eine Zahlungsunfähigkeit eingetreten, so muss die Insolvenz angezeigt werden.
Denn wenn von der Krise betroffene Unternehmen weiterarbeiten sollen, wenn sie Ware bestellen, Kooperationen eingehen, Dienstleistungen anfragen dürfen, dann gibt es am anderen Ende immer auch Gläubiger. Diese Gläubiger sind in der Annahme, ihre Forderungen würden bezahlt. Sie kennen die möglicherweise fragile Liquidität ihrer Schuldner nicht, wissen nichts von einer möglichen Überschuldung. Eventuell führt die aktuelle wirtschaftliche Lage sogar dazu, dass sie etwas hoffnungsvoller und weniger kritisch die Bestellungen von Neukunden prüfen. Denn wer freut sich denn aktuell nicht über Neugeschäft?
Forderungsausfälle und Folgeinsolvenz
Dabei gab es ja bereits vor der Corona-Krise kränkelnde Unternehmen – auf die sogenannten Zombie-Firmen haben wir hier bereits mehrfach hingewiesen. Auch viele von ihnen werden vermutlich aktuell „durchgeschleppt“. Und auch sie können weiterhin Forderungsausfälle verursachen, deren Ausmaß sich erst zeigen wird, wenn die Lockerungen im Insolvenzrecht aufgehoben sind, überschuldete Unternehmen ihre Insolvenz anzeigen müssen und die Insolvenzmasse unter allen Gläubigern aufgeteilt wird.
Wie erschütternd wenig dann von der ursprünglichen Forderungssumme übrig bleiben kann, sehen aktuell am Beispiel der Restaurantkette Vapiano: Rund drei Prozent stellte die Insolvenzverwalterin den Gläubigern in Aussicht. Drei Prozent von dem, was ihnen also eigentlich zustünde – welches Unternehmen verkraftet solche Ausfälle? Wie viele Gläubiger geraten bei diesen Insolvenzquoten denn nicht selbst in Liquiditätsschwierigkeiten? Klar ist: Steuern wir 2021 auf viele Insolvenzen mit derart geringen Insolvenzquoten zu, ist mit Folgeinsolvenzen zu rechnen. Der Versicherer Euler Hermes spricht in diesem Zusammenhang bereits von einer „tickenden Zeitbombe„.
Unser Rat
So nützlich und hilfreich Instrumente wie die ausgesetzte Insolvenzantragspflicht aktuell auch scheinen: Verlassen Sie sich nicht darauf. Prüfen Sie Ihre Geschäftspartner, stellen Sie Ihre Liquidität auf ein solides Fundament und versuchen Sie, Risiken für Ihr Unternehmen zu mindern. Ein erster Schritt ist dabei natürlich die Absicherung von Forderungen durch eine Warenkreditversicherung. Darüber hinaus können wir Ihnen aber weitere Optionen zeigen, die Ihre Liquidität sichern und sogar die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens stärken können. Wir beraten dabei anbieterunabhängig und kostenfrei – kontaktieren Sie uns.
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