7. November 2019

Wohl dem, der warten kann: Längere Zahlungsziele bei deutschen Unternehmen

Was wir vor genau drei Monaten bereits prognostizierten, lässt sich nun in Zahlen ablesen: Unternehmen warten wieder länger auf ihr Geld. Einer Umfrage zufolge haben sich die durchschnittlichen Zahlungsziele seit 2017 von 29,8 Tagen auf 35,9 Tage verlängert.

Um satte sechs Tage haben sich die Zahlungsziele ausgedehnt, fand der Kreditversicherer Coface in einer Befragung von 442 in Deutschland ansässigen Unternehmen heraus. Und obwohl sie ihre Gläubiger von vornherein um mehr Zeit zum Begleichen der Rechnung bitten, zahlen mehr und mehr Schuldner unpünktlich: 85 Prozent der befragten Unternehmen warten länger als vereinbart. 2017 waren das noch 78 Prozent.

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Der Kreditversicherer Coface befragt Unternehmen in Deutschland: 85 Prozent der Unternehmen warten länger als vereinbart aufs Geld. Bild: Coface, 2019

Immerhin: Der durchschnittliche Zahlungsverzug habe sich allerdings ebenfalls um fast sechs Tage von 41,4 auf 35,5 Tage verringert. Nur eine vermeintliche Verbesserung, erklärt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg: „Aufgrund des für viele Unternehmen schwierigen Umfelds forderten die Kunden längere Zahlungsziele, durchschnittlich sechs Tage. Am Ende schaffen sie es dann dennoch, zur gleichen Zeit wie 2017 zu bezahlen, aber durch die Verlängerung der Zahlungsfristen ist der Zahlungsverzug eben um sechs Tage kürzer.“ Gehüpft wie gesprungen also.

Welche Branchen besonders betroffen sind

Textilbranche und Handel

Im Textil-Bekleidungssektor wuchs die Zahl der betroffenen Gläubigerunternehmen am stärksten: Hier ging es von 58 Prozent auf 78 Prozent hoch. Schon seit Jahren kämpfen insbesondere die Modeketten. Sie überbieten sich in der Schnelligkeit der Kollektionswechsel und unterbieten sich im Preis – nicht nur in Deutschland. Und dennoch musste man allein im Jahr 2019 mit den Insolvenzen von Gerry Weber, Forever 21 und Miller & Monroe schon einige Niederlagen verkraften. Weil die Branche stark von der Kauflust der Deutschen abhängt – und eben diese vermutlich bald von Rezessionsangst untergraben wird –, ist mit Besserung kaum zu rechnen. Auch knapp neun von zehn Unternehmen des Groß- und Einzelhandels (vorher: 75 Prozent) müssen länger auf ihr Geld warten.

Automobil und Transport

Der Automobilsektor ist längst Sorgenkind der Republik. Ein Abgesang auf „Vorsprung durch Technik“ im Nachrichtenmagazin Der Spiegel hier, ein Autogipfel im Bundeskanzleramt da – die Nachrichten sind allein in diesen Tagen so eindeutig wie besorgniserregend. Die Branche, die hierzulande über Jahrzehnte nahezu ausschließlich Erfolgsmeldungen hervorbrachte, schlingert seit Beginn der Dieselaffäre wie ein halt- und führerloser Rennwagen auf der Nordschleife des Nürburgrings, von einem Crash in den nächsten, und die Schäden kaum zu überblicken. Wenig überraschend also, dass auch Coface häufigere Zahlungsverzögerungen feststellen muss. Statt 73 Prozent im Jahr 2017 berichten nun schon 81 Prozent der befragten Unternehmen von Zahlungsverzug.

Auch im Transportsektor darf nur jedes fünfte Unternehmen auf pünktlichen Zahlungseingang hoffen – allerdings gilt dies hier als Verbesserung, denn 2017 meldeten noch 86 Prozent der befragten Unternehmen Zahlungsverzögerungen. Im ersten Halbjahr 2019 überschritten die Unternehmen dieser Branche die gesetzliche Zahlungsfrist um 15,62 Tage, rund fünf Tage mehr als im branchenübergreifenden Durchschnitt. (Auf die hochriskante Lage der Verkehrs- und Logistikunternehmen wies im Sommer dieses Jahres bereits die Wirtschaftsauskunftei Creditreform hin.)

Warum es so ist, und wie es weitergeht

Coface fragte auch, warum es mit dem Begleichen von Rechnungen immer länger dauere. Die Gründe liegen auf der Hand: Es ist kein Geld da. (Auch das hörten wir bereits vor Jahren bei einer ganz ähnlichen Erhebung von Atradius.) Finanzielle Schwierigkeiten ihrer Kunden würden dazu führen, dass man auf den Geldeingang warte, meinten 46 Prozent der befragten Unternehmen. Diese Liquiditätsprobleme entstünden durch den harten Wettbewerb, der Gewinnmargen belaste.

Besser wird dies alles vorerst nicht, soviel ist klar. Seit Beginn des Jahres warnen wir vor Zahlungsverzug, Forderungsausfällen und Insolvenzen. Auch die von Coface befragten Unternehmen berichten von deutlich eingetrübten Geschäftserwartungen. Ein knappes Drittel sagt mit Blick auf das Jahresende, dass sich das eigene Geschäft in diesem Jahr im Vergleich zu 2018 verschlechtern wird – insbesondere im Automobilsektor, in der Metallindustrie und im Bekleidungssektor. Nur 20 Prozent sehen 2019 positiv. Gut läuft es offenbar im Bereich Elektronik-IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie): Hier gaben 43 Prozent der Unternehmen an, dass ihre Geschäftsaussichten 2019 besser sind als 2018.

Was wir Ihnen raten

Verschaffen Sie sich zuallererst einen Überblick über Ihre Außenstände. Evaluieren Sie genau, wie sich das Zahlungsverhalten Ihrer eigenen Kunden in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Führen auch Sie vermehrt Verhandlungen, weil Kunden längere Zahlungsziele benötigen? Wie viele Forderungen werden fristgerecht beglichen, wie häufig müssen Sie warten? Ein solides Forderungsmanagement bildet die Basis ihrer eigenen wirtschaftlichen Sicherheit. Das mag wie eine Binsenweisheit klingen, kann aber nicht oft genug wiederholt werden.

Schauen Sie auch kritisch auf die Branchen, mit denen Sie zusammenarbeiten. Der Automobilsektor liefert ein lehrreiches Beispiel zu Wechselwirkungen und Abhängigkeiten: Zunächst schien wegen der Dieselaffäre nur VW betroffen zu sein. Mit Tesla, aber auch mit Uber und den E-Bike-Verleihern kamen aber auch völlig neue Wettbewerber auf den Markt, ergänzt von scheinbar irrsinnigen Ideen wie autonomen Bussen oder Lufttaxis. Diese Unternehmer und ihre Ideen zeigen, dass anderswo nicht über das Einzelprodukt Auto, sondern ganz neu über Mobilität nachgedacht wird. Und das eben auch mit Mut zu Visionen. Und schließlich änderten sich wegen der zunehmenden Luftverschmutzung die Gesetzgebungen in einigen Ländern – sowie die öffentliche Meinung. Dies erhöhte den Druck, in Technologie, Forschung und Entwicklung zu investieren. Und während die großen Hersteller nun mit Hochdruck an Elektromodellen arbeiten (und die Bundesregierung dies subventioniert), stellten die Zulieferer fest, dass ihre Bauteile künftig nicht mehr gebraucht werden. Und wo sind noch mal die visionären Ideen?

Fakt ist: Ihr Unternehmen kann noch so effizient arbeiten, noch so fortschrittlich denken und noch so solide wirtschaften – Sie sind nicht allein auf dem Markt. Ihr Unternehmenserfolg hängt auch von Ihren Geschäftspartnern ab. Und wenn diese Ihre Forderungen nicht pünktlich begleichen, fehlt Ihnen das Geld zum Investieren und Agieren. Der Spielraum zum Visionendenken.

Dabei gibt es Lösungen. Factoring sorgt für schnelle Liquidität, auch dann, wenn Ihre Kunden längere Zahlungsziele benötigen. Und eine Kreditversicherung hilft, Forderungsausfälle zu vermeiden – und ersetzt im Schadensfall das verlorene Geld.

Lassen Sie sich von uns beraten.

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