Als am 26. Juni diesen Jahres ein Terrorist über den Strand der tunesischen Touristenhochburg Sousse lief und Dutzende Menschen erschoss, war klar: Neben den Todesopfern wird innerhalb der nächsten Wochen die komplette Tourismusindustrie des Landes zu beklagen sein. Denn wer wird künftig einen All-Inclusive-Urlaub buchen wollen, wenn die Sicherheit vor Ort nicht gewährleistet ist? Oder wenn Hotels zu einer von schwer bewaffneten Sicherheitsdiensten abgeschirmten Parallelwelt werden?
Genau darum geht es terroristischen Gruppen überall auf der Welt: Die Stabilität eines Landes soll ins Wanken gebracht werden. In Sousse wurde die Lebensader der tunesischen Wirtschaft getroffen, der Devisenbringer Tourismus, von dem rund sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes und eine halbe Million Jobs abhingen.
In den Tagen nach dem Anschlag holte Großbritannien umgehend seine Landsleute nach Hause. Dänemark, Irland und Finnland gaben Reisewarnungen. Deutschland rät auch heute noch zu „erhöhter Aufmerksamkeit“. Tausende stornierten gleich Ende Juni ihre Urlaubsreise, und ebenfalls Tausende Tunesier verloren in der Folge bereits ihre Jobs. Ein Viertel der Vorjahreseinnahmen dürften Tunesien nach den Anschlägen wegbrechen, schätzt die Tourismusministerin. Mit Stand Oktober sind bereits 70 Hotels geschlossen worden, die Zahl der Urlauber halbierte sich.
Jede Stadt und jedes Land wird Einbußen im Fremdenverkehr verzeichnen, wenn es vor Ort Umbrüche und Unruhen gibt – das gilt übrigens genauso in Sousse wie in Dresden oder Erfurt, wenn es dort fremdenfeindliche Übergriffe und Demonstrationen gibt. Kommen dann noch Reisewarnungen hinzu, ist das der Dolchstoß für die Tourismusindustrie. Kein All-inclusive-Urlaubsangebot, kein außergewöhnliches Hotel und keine berühmte Sehenswürdigkeit wird dagegen etwas ausrichten können.
Fakt ist aber auch: Fahren Deutsche, Niederländer, Engländer oder Franzosen nicht nach Tunesien, werden sie in andere Länder fahren. Kein Bürger der Industrienationen wird sich die schönste Zeit des Jahres vermiesen lassen, zumal Tunesien nicht mit seiner besonderen Kultur, sondern vor allem mit seinem sommerlichen Klima um Urlauber buhlte. Da bucht man schneller um – zum Beispiel in südeuropäische Länder: Spanien und Portugal meldeten sogleich Besucherrekorde, Italien hat sogar das beste Tourismusergebnis seit Jahren zu verzeichnen. Und Kroation reagierte mit Investitionen in Hotels und Infrastruktur auf die große Nachfrage.
Allein 2015 haben die kroatische Wirtschaft und der Staat gemeinsam rund 500 Millionen Euro eingesetzt, für 2016 plane man gar 676 Millionen Euro ein. Davon kommen 300 Millionen aus dem öffentlichen Haushalt – sie sollen für den Ausbau von Straßen, Städten und Stränden genutzt werden.
Seifeddine R. Y., der Attentäter von Sousse, hat damit vermutlich sein persönliches Ziel erreicht. Tunesiens Tourismusindustrie ist geschwächt. Der Betrag, den Reisende weltweit ausgeben, bleibt jedoch stabil und geht nun in andere Länder. Für Italien, Spanien und Portugal die wachsenden Zahlen aus dem Tourismus nach all den Krisenjahren natürlich ein deutlich positives Signal. Italien beispielsweise wird stärker wachsen als Anfang des Jahres noch prognostiziert.
Auch in Deutschland freut man sich übrigens über steigende Besucherzahlen – und das trotz deutlich mehr Regentagen als in Nordafrika. Bleibt zu hoffen, dass dieses Interesse der Urlauber durch entsprechende Angebote und Investitionen lange aufrecht erhalten werden kann.
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