Ein Barrel Öl kostet 100 Dollar und aufwärts – das war die Wahrheit, die bis vor wenigen Monaten galt. Eher teurer als billiger würde der Treibstoff unserer Wirtschaft werden, so die Annahme, die wohl alle Staaten teilten. Doch es kam anders: Auf aktuell rund 60 Dollar pro Barrel rutschte der Ölpreis. Und mit ihm verloren die Währungen Öl produzierender Länder teilweise dramatisch an Wert.
Im Fokus steht dabei Russland, das neben dem sinkenden Ölpreis noch Wirtschaftssanktionen verkraften muss. Nachdem in den vergangenen Monaten massenhaft Investoren ihre Gelder zurückzogen, ging die Landeswährung Rubel in den Sturzflug. Am gestrigen Donnerstag bekam man bereits 76 Rubel für einen Euro. Im Sommer waren das noch 46 Rubel. (Den aktuellen Kurs können Sie zum Beispiel hier abrufen.)
Rund 40 Prozent seiner Einnahmen bezieht Russland aus dem Ölgeschäft. Für einen ausgeglichenen Haushalt muss das Barrel Öl mindestens 99 Dollar kosten. Damit ist klar, dass Russland schon seit Monaten drauflegt. Inmitten der „schwersten Krise seit 15 Jahren“, wie etwa die Tagesschau einschätzt, legte nun Präsident Putin seine Standpunkte dar. Auf seiner traditionellen Jahrespressekonferenz bezeichnete auch er den gefallenen Ölpreis als den Hauptgrund für die Rubel- und Wirtschaftskrise. Sein Land werde sich vom Ölgeschäft unabhängiger machen müssen. Zugleich gab Putin westlichen Staaten wegen ihrer Sanktionen eine große Mitverantwortung.
Selbstverständlich werde sich der Rubel aber wieder erholen, die russische Notenbank sowie die Regierung bereite entsprechende Maßnahmen vor. Geplant ist unter anderem eine Finanzspritze für Banken in Höhe von rund einer Billion Rubel. Im schlimmsten Fall halte die Krise noch zwei Jahre an, so Putin. Einen möglichen Staatsbankrott dagegen scheint Putin nicht zu fürchten. Ganz im Gegensatz zu Börsenanlegern: Die Nachfrage nach Kreditausfallversicherungen für russische Staatsanleihen jedenfalls stieg zuletzt enorm an, die Preise dafür ebenfalls.
Exportunternehmen in Deutschland bemerken die Russlandkrise längst. Für 36 Milliarden Euro verkaufte die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr Waren nach Russland. Derzeit beobachtet man ein Minus von 20 Prozent. Michael Hüther, Präsident des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln), rechnet jedoch gar mit einem kompletten Niedergang des Exportgeschäfts nach Russland: „Der Absatzmarkt Russland ist für deutsche Unternehmen auf absehbare Zeit tot“, sagt Hüther in der „Welt“.
Auch international ist Rückzug das Gebot der Stunde: Vor einigen Tagen stoppte die Opel-Mutter General Motors den Verkauf von Autos in Russland, um durch den Rubelverfall entstehende Geschäftsrisiken im Griff zu behalten. Gleiches bei Jaguar Land Rover: Der russische Markt wird aktuell nicht bedient.
Nun ist dieser für die Autokonzerne nur einer seiner internationalen Handelsplätze. Von der Krise aber besonders betroffen sind die Unternehmen, deren Umsatz sehr stark von Russland abhängt. Die drängendste Aufgabe lautet nun, den einbrechenden Absatzmarkt schnellstmöglich durch neue Märkte zu ersetzen. Auch die Investitionen werden weiter zurückgehen: „Deutsche Autofabriken sind bereits seit einigen Wochen auf Kurzarbeit geschaltet oder entlassen Mitarbeiter“, berichtete DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.
Stark vom Ölpreisdilemma betroffen sind übrigens auch die Schwellenländer, allen voran Venezuela und Nigeria. Nigeria fördert mit 2,3 Millionen Barrel pro Tag das meiste Öl innerhalb Afrikas. Sein Staatshaushalt basiert zu 70 Prozent auf den Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Trotz einiger Maßnahmen der Regierung, der Krise gegenzusteuern: Die Situation ist brisant.
Die Wahrscheinlichkeit, mit der Venezuela in eine Staatspleite gerät, wird dagegen schon mit 94 Prozent beziffert. Auf die sinkenden Einnahmen aus dem Ölgeschäft konnte der südamerikanische Staat zuletzt nur noch mit der Notenpresse reagieren. Die Folge: Inflation und Wertverluste. Und Dollar- und Euroschulden können darüber natürlich nicht beglichen werden.
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Stichwörter: Export, Länderrisiken, Ölpreis, Russland, Staatsbankrott