3. Februar 2022

Reverse Factoring unter Beobachtung der BaFin

Der Finanzskandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard hat inzwischen auch die Regulierungsbehörden aufmerksamer gemacht. Um ähnliche Ereignisse zu verhindern, werden nun Finanzierungsinstrumente genauer auf ihre korrekte Darstellung in den Bilanzen geprüft. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Reverse Factoring.

Finanzierungslösungen können anfällig für betrügerisches Vorgehen sein

Bereits seit der Pleite des Plüschtierherstellers Nici AG, der unter anderem das Maskottchen zur Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 produzierte, sind die aufsichtsrechtlichen Vorgaben an Factoring-Anbieter deutlich gestiegen. Damals wurden Rechnungen, ohne tatsächliche Warenlieferungen, dem Factor zum Kauf angeboten worden, ohne dass dieser die Leerverkäufe erkannte. Dies kam erst ans Licht, als der Factoringnehmer letztlich bereits zahlungsunfähig war. Ihm war es gelungen, auf diese Weise über mehrere Jahre fast den doppelten, tatsächlichen Umsatz ausweisen zu können. Die BaFin verschärfte darauf die Prüfvorgaben für Factoringgeber.
Nun werden nach den verschleierten Verlusten und Liquiditätsengpässen bei Wirecard auch andere Absatz- und Einkaufsfinanzierungen unter die Lupe genommen.

Factoring und Reverse-Factoring – Wie unterscheidet sich das?

Beim normalen Factoring bedient sich ein Lieferant eines Factors, der ihm vor dem eigentlichen Zahlungsziel die Forderungen abkauft und dadurch finanziert. Damit gewinnt der Verkäufer Liquidität und verkürzt seine Bilanzsumme dadurch, dass er weniger Forderungen aus Lieferung und Leistung ausweisen muss. Dies führt meist zu einem besseren Banken-Score und damit zu besserem Zugang zu weiteren Finanzierungsprodukten. Im Gegenzug übernimmt der Factor die weitere Beitreibung der Forderungen und auch der Käufer hat den Vorteil, dass er erst nach einem längeren Zahlungsziel bezahlen muss. Andererseits wird auf diese Weise der Verkäufer auch erst in die Lage versetzt, seinen Kunden überhaupt ein Zahlungsziel anbieten zu können.
Das Reverse-Factoring geht diesen Weg genau anders herum. Der Käufer, der kurze Zahlungsziele bedienen muss, gibt dem Factor seine Verbindlichkeiten zur Finanzierung. Somit wird das kurze Zahlungsziel des Verkäufers bedient (oder sogar Skonto gezogen) und der Käufer entlastet seine Liquidität und Banklinien, da er mit der Finanzierung nun mehr Zeit für das Begleichen der Rechnungen hat. Außerdem tritt der Factor, anstelle des Käufers, mit seiner Bonität gegenüber dem Lieferanten auf. Dadurch kann oft eine bessere Kreditwürdigkeit dargestellt werden. Im Reverse-Factoring existiert eine Dreiervereinbarung zwischen Lieferant, Käufer und Factor, die das gesamte Verfahren regelt. Bei der klassischen Einkaufsfinanzierung gibt es hingegen nur eine Vereinbarung zwischen dem Käufer und dem Finanzierer. Da die Konstellation des Reverse-Factorings eine geschlossene Vereinbarung innerhalb der Lieferkette ist, legen die Aufsichtsbehörden nun präventiv ein höheres Augenmerk auf die steuerliche Richtigkeit der Geld- und Warenflüsse. Weder die Vorfälle bei Nici noch bei Wirecard sollen sich wiederholen.

Solides Finanzierungsprodukt oder Schlupfloch für Betrüger?

Der gesamte Factoring-Bereich hat inzwischen eine etablierte und verlässliche Rolle in der Unternehmensfinanzierung eingenommen. Der Deutsche Factoring-Verband, der nach eigenen Angaben rund 98% des Marktes repräsentiert, gibt für seine Mitglieder ein angekauftes Volumen von 146,5 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2021 an. Dieses erwirtschafteten rund 80.000 Factoringnehmern und die meisten Unternehmen arbeiten über Jahre mit diesem Instrument. Sei es zur Planung der Liquidität oder zur Wachstumsfinanzierung. Mögliche unlautere Geschäftsgebaren werden meist schon in der Anbahnungsphase von den Anbietern detailliert analysiert. Damit werden potenziell schwarze Schafe frühzeitig erkannt und aussortiert.
Aus unseren eigenen Erfahrungen können wir berichten, dass die Möglichkeiten zum Betrug extrem geschrumpft sind. Kein Factor möchte wegen ähnlich gelagerter Fälle, wie den oben erwähnten, seine Zulassung und ggf. damit seine Existenz aufs Spiel setzen. So sind auch alle Anbieter angehalten, entsprechende Sicherungsmaßnahmen gegen Veritätsschäden zu ergreifen. Sowohl interne Prüfprozesse als auch Versicherungslösungen. Betrüger haben es also inzwischen sehr schwer.

Die BaFin wird auch die Kunden genauer überprüfen

In der Mitteilung vom 29.11.2021 hat die BaFin bereits angekündigt, bei mehr als 500 Unternehmen im regulierten Markt in Deutschland, insbesondere die Nutzung von Reverse-Factoring genauer in der Bilanz zu prüfen. Neben den richtigen Buchungen werden auch Nachweise über die ausgewiesenen Vermögensgegenstände verlangt werden. Ein Schritt, der wohl das etwas angeschlagene Vertrauen in die Finanzbranche wieder stärken soll. Die Verantwortlichen sollen sehen, dass man nicht mehr bereit ist, unlautere Geschäfte einfach im Dunkeln wuchern zu lassen. Die IFRS hatte bereits 2020 entsprechende Standards für die Nutzung von Reverse-Factoring erlassen

Intensivere Kontrollen sind kein Argument gegen Factoring

Das Factoring in allen Formen bietet Unternehmen Unabhängigkeit von Banklinien. Da es aber teils gleiche Funktionen bedient, ist es nur richtig, diese auch ordentlich abzuwickeln und damit langfristig auf gesunde Beine zu stellen. Auch unsere Factoring-Mandate erfüllen über Jahre eine verlässliche Funktion im Finanzmanagement und haben damit Anteil am Erfolg unserer Kunden. Ob auch Sie davon profitieren können? Nehmen Sie gerne Kontakt mit den Experten der VIA auf und lassen Sie uns gemeinsam herausfinden, ob Factoring auch für Sie eine geeignete Finanzierungsmöglichkeit sein kann.

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