Erstmals seit einigen Jahren gehen weniger Unternehmen in die Insolvenz. Erste Zeichen eines kommenden Aufschwungs?
Rund 24.000 deutsche Unternehmen mussten im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden – so wenige wie seit 15 Jahren nicht mehr. Ein erfreulicher Trend, über den sich zudem nicht nur Deutschland, sondern fast ganz Europa freut. Einzig in Italien und Norwegen stiegen 2014 die Insolvenzzahlen an. In allen anderen Ländern der Eurozone war dagegen ein Rückgang um durchschnittlich rund 4,6 Prozent zu verzeichnen (Quelle: Creditreform).
Doch reicht der Trend ins Jahr 2015? Der Kreditversicherer Coface bejaht dies – zumindest schon für Frankreich. In einer aktuellen Studie schätzt Coface mit einem weiteren Rückgang von 2,7 Prozent für das erste Quartal 2015 gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr. Einziger Wermutstropfen: Es seien große branchenspezifische Unterschiede zu erwarten. Mit Schwierigkeiten und teilweise sogar mehr Insolvenzen müssen etwa die französische Bau-, Metall- sowie die Dienstleistungsbranche, insbesondere das Hotel- und Gaststättengewerbe, rechnen.
Dabei stehen die Vorzeichen nicht schlecht: Weil der Ölpreis anhaltend niedrig ist, ist es für jeden Europäer billiger geworden, die Wohnung zu heizen oder das Auto zu betanken. Folglich bleibt mehr Geld im Portemonnaie. Coface stellt in der vorliegenden Studie zudem fest, dass die Anzahl der von einer Unternehmensinsolvenz betroffenen Beschäftigten um 4,6 Prozent gesunken sei. Auch hier darf man annehmen, dass mehr wirtschaftliche Sicherheit des einzelnen Bürgers zu einer höheren Konsumbereitschaft führen wird.
Und wie sieht es mit Europas Sorgenkindern Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Irland aus? Hier nahmen Arbeitslosigkeit, Insolvenzen und Verschuldung in den vergangenen Jahren besorgniserregende Ausmaße an. Nach wie vor schwierig ist die Lage in Griechenland. Auch Italien beklagte im vergangenen Jahr erneut mehr Unternehmenspleiten. Portugal brachte durch einen rigiden Sparkurs immerhin seinen Staatshaushalt in Ordnung, erste Branchen wie der Tourismus wachsen wieder. Jetzt müssen Arbeitslosigkeit und Abwanderung gestoppt werden – eine Aufgabe für die neue Regierung, die im Herbst gewählt werden soll. Spanien dagegen verzeichnete gleich den stärksten Rückgang der Insolvenzzahlen EU-weit: Satte 28,5 Prozent minus im Vergleich zu 2013. Irland bewies mit 4,8 Prozent Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt, dass es die Finanzkrise mehr als überwunden hat.
Dass die Frage nach europaweitem Aufschwung nicht pauschal beantwortet werden kann, zeigen auch die osteuropäischen Länder. Slowenien, Ungarn, Lettland und Litauen verzeichneten 2014 einen Anstieg der Insolvenzen. In der Ukraine verdoppelte sich die Zahl sogar. Positive Aufsteiger sind wiederum Rumänien und Tschechien, die sich über deutlich weniger Pleiten freuen durften.
Als durchwachsen kann man die europaweite Konjunkturlage folglich am treffendsten beschreiben. Und fragil: Denn Konfliktherde wie etwa zwischen Russland und der Ukraine können kurzfristig das komplette Finanz- und Wirtschaftssystem ins Stocken bringen. Auch die Rohstoffpreise – insbesondere der Ölpreis – sind ein wesentlicher und dabei kaum prognostizierbarer Konjunkturfaktor. Ebenso bleibt abzuwarten, wann die Zinsen wieder steigen. Dann schwebt da noch die offene Frage nach dem Euro-Ausstieg Griechenlands. Und: Längst nicht alle Staaten haben ihre Hausaufgaben in Sachen Verschuldung, Haushalt und Strukturreform bisher vollständig erledigt. Ohne fokussierte Geld- und Finanzpolitik geht es in keinem Land Europas, schließlich bereitet sie den Weg für Investoren.
Es gilt also: Sehen Sie sich die Länder, zu denen Sie Geschäftsbeziehungen pflegen, genau an. Wir unterstützen Sie dabei.
Stichwörter: EU, Europa, Finanzkrise, Insolvenz, Konjunktur, Länderrisiken, Staatsschulden, Unternehmensinsolvenz