Überraschende Post fanden die meisten Gläubiger der im Jahr 2015 in die Insolvenz gerutschten Gesellschaft Imtech in den letzten Tagen in ihren Briefkästen: Ein US-amerikanischer Fond bietet an, 11 Prozent ihrer Hauptforderung an Imtech zu übernehmen. Ein Kaufangebot für eine Forderung gegenüber einer insolventen Firma also. Klingt verlockend – und wo ist der Haken?
Richtlinie für notleidende Kredite
Grundsätzlich ist es erlaubt, mit Forderungen, gar mit notleidenden Krediten zu handeln. Erst kürzlich, am 20. März dieses Jahres, legte Europas oberste Zentralbank sogar in einem Leitfaden fest, dass Banken sich von sogenannten Problemkrediten entledigen sollen. Schließlich seien sie die Ursache dafür, dass neue Kredite wiederum zu zaghaft vergeben werden.
Gemäß den Richtlinien sollen Banken ihre schlecht laufenden Kredite segmentieren und sich von ihnen trennen. Das tun sie inzwischen – und zwar in Einzelengagements, statt sie in großen Portfolios zu veräußern. Eine Chance für kleinere Investoren, in das Geschäft der Distressed Investments einzusteigen. Ihr Interesse stößt bei den Banken wiederum auf große Gegenliebe, da es zu ihrer Freude nicht nur die Bilanzen entlastet, sondern auch neue liquide Mittel in die Kassen spült.
Nicht nur notleidende Kredite werden gehandelt, Forderungen können immer verkauft werden. Zwar kennen Unternehmen häufig nur den Forderungsverkauf nicht überfälliger Forderungen (Factoring), aber den Markt überfälliger, notleidender oder gar ausgeklagter Forderungen gibt es längst. In der Regel sind die Aufkäufer nur an größeren Portfolios in Höhe mehrerer Hunderttausend Euro Forderungsvolumen interessiert. Einzelforderungen gegenüber „Hinz und Kunz“ liegen dagegen leider nicht in deren Interesse. Auch hier gilt: Wer seiner Forderung nicht hinterher ist, der hat schon verloren. Eine einfache Möglichkeit der Überwachung finden Sie hier.
Langer Atem, schnelles Geld
Warum aber kaufen Fonds Forderungen auf, deren Wert bestenfalls virtuell besteht? Nun, sie sind auf den Kauf genau solcher Forderungen spezialisiert und spekulieren darauf, im Verlauf von Imtechs Insolvenzverfahren einen Ertrag zu erwirtschaften. Sie können und wollen warten. Eine Eigenschaft, die Gläubiger wiederum nicht mitbringen (wollen), denn ihnen fehlt die Liquidität bei der Ausübung ihres eigentlichen Geschäftsgegenstands. Der Verkauf der Forderungen an den Fond bringt zwei Vorteile: Sie haben keinen Aufwand mehr und bekommen sofort Liquidität. Bares Geld. Etwas, worauf sie unter Umständen – gerade bei den großen Pleiten die Regel – mehrere Jahre hätten warten müssen, bis die Insolvenz abgewickelt ist.
Forderungsausfall mindern
Sollten Gläubiger also zugreifen und auf das Angebot eingehen? Dabei gilt es einiges zu beachten. Denn wenn die Forderung durch einen der Kreditversicherer abgesichert war, ist mit dem Erhalt der Entschädigung in den meisten Fällen der Anspruch auf den Kreditversicherer übergegangen. Dieser muss daher zwingend dem Forderungsverkauf zustimmen. Zusätzlich ist stets zu prüfen, ob (und wie) sich der Erlös forderungsminimierend auswirkt oder ob es sich hierbei um einen Regresserlös handelt. Im letzteren Fall nämlich würden dem Versicherer 100 Prozent des Erlöses zustehen.
Eine der führenden Kreditversicherungsgesellschaften hat uns nun bestätigt, im Falle Imtech den Verkauf der erzielten Zahlungen als normale Forderungsminderungen zu werten. Ihre Schadensabrechnung würde entsprechend korrigiert, natürlich unter Berücksichtigung des Verhältnisses der versicherten vs. der unversicherten Forderungen. Somit führt – bei dieser Versicherung – das Vorgehen auf jeden Fall zu einer Minderung des eigenen Ausfalls.
Forderungsverkauf prüfen
Und ist die Höhe des angebotenen Kaufpreises angemessen? Dazu können wir derzeit keine Aussage treffen. Dass es aber einen Markt gibt, liegt auf der Hand – auch Forderungen gegenüber Praktiker etwa werden aktuell gehandelt. Unser Partner, die Debitos GmbH , ist mit der Prüfung der Imtech-Forderung beauftragt. Das Unternehmen gilt als Europas führende Plattform für den Verkauf notleidender Forderungen und Kredite im transparenten Auktionsverfahren. Über die Online-Börse wurden bereits offene Forderungen mit einem Nominalwert von etwa 1,8 Milliarden Euro verkauft. „Wir stellen ein großes Interesse in diesem Segment fest“, sagt Geschäftsführer Timur Peters. „Denn in Deutschland dauert die Abwicklung einer Unternehmensinsolvenz durchschnittlich vier Jahre – der Ausgang ist dabei häufig ungewiss und das Kapital gebunden. Bei einem Verkauf über unsere Handelsbörse wird direkt für die entsprechende Liquidität gesorgt.“
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