Der Eigentumsvorbehalt ist ein gängiges Sicherungsinstrument: Er sorgt dafür, dass die gelieferte Ware bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises im Eigentum des Verkäufers verbleibt. Doch auch dieser übliche Bestandteil der Zahlungs- und Lieferbedingungen schützt nicht mehr zuverlässig vor Rückforderungen des Insolvenzverwalters, sondern kann sich sogar nachteilig für den Lieferanten auswirken.
Mitten in die Pläne, das Insolvenzanfechtungsrecht zu verbessern, funkt nun ein Urteil des Bundesgerichtshofs: Darin wird der zwischen zwei Geschäftspartnern vereinbarte Eigentumsvorbehalt zur Begründung eines Anfechtungstatbestandes herangezogen und die Gläubigerin mit Rückforderungen belastet.
Doch beginnen wir von vorn: Im Jahre 2007 stellt ein Unternehmen, das Backwaren herstellt und verkauft, Insolvenzantrag. Der eingesetzte Insolvenzverwalter sieht sich nicht nur alle zu diesem Zeitpunkt offenen Forderungen an, sondern prüft auch die vor der Insolvenz geleisteten Zahlungen des Unternehmens. Ziel: Er will herausfinden, ob das Unternehmen die nahende Insolvenz sah und ob es einzelne Gläubiger gab, die von Zahlungsschwierigkeiten wussten und sich so Vorteile gegenüber unwissenden Gläubigern verschafften.
Und tatsächlich: Der Insolvenzverwalter wird fündig. Eine Lieferantin von Backzutaten, hauptsächlich Mehl, hat sich in ihren Lieferungs- und Zahlungsbedingungen nicht nur den gesetzlichen einfachen, sondern gleich einen verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt gesichert.
Konkret heißt das, dass nicht nur das gelieferte Mehl in ihrem Eigentum verblieb, bis die Schuldnerin alle Rechnungen bezahlt hatte. Auch die damit hergestellten Backwaren sowie die aus ihrer Veräußerung erzielten Zahlungsforderungen gingen faktisch zum Teil in ihr Eigentum über. Und dank des des gemeinsam verabredeten, sogenannten Kontokorrentvorbehaltes galt dieser verlängerte Eigentumsvorbehalt prinzipiell auch für künftige Forderungen der Lieferantin.
Die Motive der Gläubigerin sind klar und absolut nachvollziehbar – ihr ging es schlichtweg darum, den Gegenwert der gelieferte Ware so lange und umfassend wie nötig abzusichern. Sollte die Schuldnerin ihre Rechnung nicht zahlen können, blieben immerhin die mit den Backwaren erzielten Einnahmen zum Forderungsausgleich.
Der Insolvenzverwalter erkennt in den Vereinbarungen zum Eigentumsvorbehalt aber, dass die Lieferantin mehr über drohende Zahlungsschwierigkeiten gewusst haben muss. Er schlussfolgert, dass demnach andere Lieferanten im Nachteil waren.
Der Bundesgerichtshof bejahte dies in der nun vorliegenden Entscheidung vom 12. Februar 2015 – und schafft damit einen Präzedenzfall. Beweise liefern die Bilanzen, die auf eine Zahlungsunfähigkeit ab ca. Mitte des Jahres 2006 hinweisen. Der Backwarenhersteller musste wiederholt Einzugsermächigungen platzen lassen und Lastschriften widerrufen, weil die Deckung des Geschäftskontos nicht ausgereicht hatte – und baute bereits massive Zahlungsrückstände auf.
Nach Ansicht des BGH wusste demnach das Unternehmen, dass nicht alle Lieferanten ihr Geld bekommen würden. Von einem Leistungsaustausch „Zug um Zug“, der mit einem (nicht anfechtbaren) Bargeschäft gleichgesetzt werden könnte, könne keine Rede sein. Und da die Außenstände des Unternehmens immer weiter stiegen, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Insolvenz noch hätte abgewendet werden können. Auch der Lieferantin bescheinigt der BGH aufgrund erfolgter Rückgaben ihrer Lastschriften eine Mitwisserschaft – und stellt folglich fest, dass ihr bekannt war, dass ihre Schuldnerin durch die an sie geleisteten Zahlungen andere Gläubiger vorsätzlich im Sinne von § 133 InsO benachteiligte.
Konsequenz des Urteils: Wenn Sie als Unternehmen wissen oder Indizien dafür haben, dass Ihr Kunde Zahlungsschwierigkeiten hat, kann ein verlängerter und erweiterter Eigentumsvorbehalt im Insolvenzfall zur Begründung von Anfechtungsansprüchen gegen Sie führen!
„In der vorliegenden Entscheidung baut der BGH seine anfechtungsfreundliche Rechtsprechung weiter aus“, schätzt auch Anwalt Jochen Rechtmann von der Frankfurter Kanzlei Buchalik Brömmekamp ein. „Danach sind auch zeitnah nach Lieferung erfolgende Zahlungen anfechtungsgefährdet, wenn der Lieferant einen verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt vereinbart hat. Gleiches gilt, wenn dem Lieferanten bekannt ist, dass sein Kunde fortlaufend unrentabel arbeitet.“
Das ohnehin schwelende Problem Insolvenzanfechtung wird mit diesem Urteil noch einmal vergrößert. Wenn Unternehmen sich nun noch nicht einmal mehr mit einem Eigentumsvorbehalt sichern können, welche Möglichkeiten gibt es noch? Und: welche Auswirkungen hat dies auf die bestehende Kreditversicherung? Bitte denken Sie in jedem Fall daran, dass die Vereinbarung eines Eigentumvorbehalts von den Versicherern vorausgesetzt wird. Ein nicht vereinbarter Eigentumsvorbehalt – zum Beispiel auch durch entgegenstehende Einkaufsbedingungen – kann bei den Versicherern risikoerhöhend gewertet werden und sollte daher immer angezeigt werden. Für die Versicherer wiederum ist der Eigentumsvorbehalt auch ein Sicherungsrecht, auf das sie ungern verzichten.
Eines zeigt das Urteil ganz klar: Wenn im Jahre 8 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch immer unklar ist, welche Gläubiger welchen Anteil ihrer offenen Forderungen aus der Insolvenzmasse erhalten, dann gibt es nur Verlierer – nicht nur auf Seiten einer Lieferantin. Und: Aus unserer Sicht ist es dringend an der Zeit, die Insolvenzordnung endlich auf stabile Füße zu stellen. In Anbetracht solcher Urteile sind zudem die kürzlich vorgebrachten Novellierungsvorschläge nicht ausreichend. Sollte sich die anfechtungsfreundliche Gesetzgebung weiter fortsetzen, könnte das auf lange Sicht zum Tod des Lieferantenkredits führen. Wir plädieren sehr dafür, den Eigentumsvorbehalt und damit auch alle offenen Forderungen besser zu schützen!
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