17. Mai 2016

Der Fall Praktiker und die Gesetzesnovellierung

Die kürzlich bekannt gewordenen Rückforderungsschreiben des Praktiker-Insolvenzverwalters an einige ehemalige Geschäftspartner der Baumarktkette zeigen einmal mehr, wie wichtig eine vernünftig und präzise formulierte Insolvenzordnung für Unternehmer ist. Gut, dass man mit der Überarbeitung erneut ein Stück voran gekommen ist. Und ebenso gut, dass weiterhin Druck aufgebaut wird.

Unzählige Unternehmen haben schon Post vom Insolvenzverwalter ehemaliger Kunden und Geschäftspartner erhalten. Die Rechtsgrundlage liefert (noch) § 133 der Insolvenzordnung (InsO) – wir berichteten bereits mehrfach. Eigentlich soll die Insolvenzordnung so Gläubiger schützen. Im Gegenteil birgt sie nun aber ein hohes Risiko. Denn selbst wenn sie bereits ihre berechtigten Forderungen bezahlt bekommen haben, kann ihnen dieses Geld unter Umständen wieder abgenommen werden.

Das Besondere am Fall Praktiker

Kürzlich traf es nun einige Praktiker-Zulieferer und -Dienstleister – jedoch mit einer neuen Begründung: Das bereits erhaltene Geld stünde den Gläubigern nicht zu, weil es nicht von der beauftragenden Praktiker-Tochter selbst, sondern von einem anderen Unternehmen aus der Firmengruppe Praktiker gezahlt worden sei. Laut Anschreiben habe man jedoch nur Anspruch auf Zahlungen der Praktiker-Tochter, die auch den Auftrag erteilt hat. Da beide Unternehmen den nahezu identischen Namen tragen, dürften nicht wenige Gläubiger gar nicht bemerkt haben, von welcher juristischen Person das erhaltene Geld stammt.

Die Folgen

Heißt das im Umkehrschluss, dass Buchhalter die Zahlungseingänge noch exakter prüfen müssen, um wirklich sicher vor einer eventuellen Anfechtung im Insolvenzfall zu sein? Wie alltagstauglich ist dies für ein Unternehmen, welcher Aufwand fällt dann zusätzlich für die Controller an? Und wer hat überhaupt den Überblick über die Tochter- und Schwesterfirmen inklusive der jeweiligen Konten, so dass man wirklich zweifelsfrei sicher gehen kann, die Zahlung vom rechtmäßigen Gegenüber zu bekommen? Noch immer reden wir schließlich über Zahlungen, die völlig zu Recht angefordert wurden, weil eine Leistung erbracht wurde oder ein Produkt geliefert wurde.

Hauptsache, die Rechnung ist bezahlt?

Diese einfache Losung gilt leider schon längst nicht mehr, und erneut wird uns hier die dringliche Überarbeitung der Insolvenzordnung verdeutlicht. Wünschenswert ist, dass der Gesetzgeber künftig präzise formuliert, wann genau eine Vorteilsnahme gegenüber anderen Gläubigern vorliegt – nur wenn diese Faktoren klar geregelt sind, können Unternehmer sicher agieren.

Was Richter empfehlen

Mit einem achtseitigen Dossier (Volltext als PDF) bringt sich nun auch der Deutsche Richterbund in Stellung und legt entsprechende Änderungsvorschläge für den Gesetzestext vor. Oberstes Ziel: Rechtssicherheit.

Der DRB positioniert sich zu folgenden Punkten:

a) § 131 InsO: Der Referentenentwurf vom Herbst 2015 schränkte die Inkongruenzanfechtung ein und soll so Gläubiger vor Anfechtungen schützen, wenn sie lediglich von gesetzlich zugelassenen Zwangsmitteln Gebrauch machen und dabei nicht wissen, dass der Schuldner schon zahlungsunfähig ist.

Konkret: Zwangsvollstreckung soll nicht mehr per se verdächtig sein. Die Formulierung im Gesetzesentwurf wiederum wirft für die Richter erneut zu viele Fragen auf, über die in der Praxis nur schwer sauber entschieden werden kann. Das Dossier nennt diese Fragen ganz konkret und fordert damit eine Verbesserung des teilweise sogar in sich widersprüchlichen Gesetzestextes.

b) § 133 InsO: Wann ist es Vorsatz, wann nicht? Der Richterbund ergänzt hier Anhaltspunkte zur besseren Orientierung für Gläubiger und Anwälte. Bei den bisherigen Entwürfen bliebe zu viel auf Seiten der Rechtsprechung, das mache die Insolvenzverfahren „aufwändig und komplex und erschweren die zügige Abwicklung“. Darunter behandelt man u.a. die Punkte Bargeschäft (soll nach Empfehlung der Richter von der Vorsatzanfechtung ausgenommen werden) und Ratenzahlungen (soll nicht per se verdächtig sein).

c) § 142 InsO: Noch einmal Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften, und hier ganz konkret zur Zahlung von Arbeitnehmerlöhnen. Die Richter definieren den Begriff „Arbeitsentgelt“ exakt als im Lohn sozialversicherungsrechtlichen Sinn (§ 14 SGB IV), d.h. inklusive aller anfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Zudem kritisieren sie den verwendeten Begriff der „Unlauterbarkeit“, der nach aktuellem Entwurf zunächst weitere Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen wird.

d) § 143 InsO: Mit einer Ergänzung will der DRB die Zinsspirale stoppen: Diese werden nämlich nicht mehr ab der Insolvenz, sondern erst nach dem Schuldspruch berechnet. Damit schieben sie einen Riegel vor die Tatsache, dass Insolvenzverwalter bislang sogar finanziell profitierten, je später sie die Anfechtung heraus schickten (→ mehr Zinsen). Man hält es speziell für Arbeitnehmer inakzeptabel, die „erarbeitete und für den Lebensunterhalt verbrauchte Vergütung auch noch mit Zinsen zurück gewähren zu müssen.“

Was sollten Sie beachten?

Ernst nehmen müssen die Betroffenen im Fall Praktiker trotz aller Initiativen zur Gesetzesänderung und offenen Fragen das Schreiben in jedem Fall – denn es bezieht sich schließlich auf die aktuell noch geltende Insolvenzordnung.

Generell gilt in Sachen Insolvenzanfechtung: Bitten Sie einen Anwalt um Einschätzung, wenn möglich einen Fachanwalt für Insolvenzrecht. Unseren Kunden gelang es so, die meisten Anfechtungen erfolgreich abzuwehren oder zumindest in einen Vergleich münden zu lassen.

Und: Es gibt inzwischen Insolvenzanfechtungspolicen. Wir beraten Sie gern.

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