14. Dezember 2017

Konjunkturbremse Politik

Deutsche Großunternehmen fürchten sich am meisten vor instabilen politischen Rahmenbedingungen. Dies ergab eine Umfrage, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) e.V. durchführen ließ.

41 Prozent der befragten Entscheider beklagten demnach, dass staatliche Regulierungen und Gesetzesänderungen das Wachstum ihres Unternehmens gefährden. 25 Prozent benennen die Handelsbeschränkungen wie Sanktionen, Zölle, Einfuhrschranken und Ausfuhrverbote als wachsende Gefahr. „Der Welthandel unterliegt einer Renaissance des Protektionismus‘“, gab Thomas Langen, Vorsitzender der Kommission Kreditversicherung des GDV, beim jährlichen Pressegespräch in Köln zu Protokoll.

Thomas Langen
Dr. Thomas Langen verantwortet bei Atradius das Kreditversicherungsgeschäft in Deutschland, Mittel- und Osteuropa. Er vertritt seit 2015 außerdem als Vorsitzender die Kommission Kreditversicherung im GDV und verlas in dieser Funktion die Ergebnisse der Befragung. Im Hintergrund: Jörg Pohlücke, Referent Haftpflicht- und Kreditversicherung beim GDV.

Handel als Hebel der Außenpolitik

Während Freihandelsabkommen auf Eis liegen, schotten sich immer mehr Länder ab. Langen sprach beispielsweise von der Subventionierung und Bevorzugung inländischer Unternehmen und einem von Normen und Richtlinien erschwerten Marktzugang in entwickelten Volkswirtschaften. Mehrere hundert neue Handelsbarrieren seien 2017 errichtet worden, am aktivsten seien Schwellenländer wie Indien, Indonesien, Argentinien oder Brasilien. Für deutsche Exporteure beunruhigend sei auch die unklare Entwicklung in den USA und in Großbritannien. „In der Wirtschaft herrscht solange Unsicherheit, solange unklar ist, ob es zu einem harten Brexit kommt“, erklärte Langen dazu.

„Passiert uns doch nicht“

In der repräsentativen Studie ließ der GDV 252 Unternehmen ab einer Größe von 250 Mitarbeitern bzw. einem Jahresumsatz von mindestens 50 Millionen Euro vom Meinungsforschungsinstitut forsa befragen. Dabei zeige die Umfrage laut GDV auch, dass die Mehrheit der Großunternehmen unternehmerische Risiken systematisch unterschätzt. 55 Prozent der Befragten glauben etwa nicht, dass sie von Zahlungsausfall betroffen sein werden, weil einer ihrer Abnehmer in die Insolvenz geht. Dabei zählen wir allein in Deutschland im Jahr 2017 rund 20.500 Insolvenzen. Die Gefahr potenziert sich für exportierende Unternehmen, und noch einmal eklatant, wenn wir das Risiko einer Rückforderung kalkulieren. Wegen drohender Insolvenzanfechtung werden nämlich nicht nur die aktuellen Insolvenzfälle, sondern die der vergangenen vier Jahre relevant.

Geradezu naiv ist unserer Erfahrung nach der Glaube der befragten Unternehmen, ihre Führungskräfte könnten nicht gegen Compliance-Regeln verstoßen. Ganze 88 Prozent der Großunternehmen schließt dies laut GDV aus. Und 80 Prozent fürchten nicht, dass einer ihrer Mitarbeiter oder Geschäftspartner sie betrügen könnte. Immerhin, im Jahr der großen Cyber-Angriffe, haben 24 Prozent der Unternehmer eine entsprechende Police oder fest vor, eine solche Versicherung abzuschließen.

Ein äußerst beunruhigendes Ergebnis der Befragung ist zudem, dass zahlreiche der befragten Unternehmen keinen Überblick hatte, ob und gegen welche Risiken konkret es versichert ist. Dabei sprach forsa dazu mit den entsprechenden Entscheidern, also den Köpfen im Unternehmen, die über den Versicherungsstatus Bescheid wissen sollten. „Das Risikomanagement wird in vielen deutschen Großunternehmen vernachlässigt“, erklärte Langen dazu.

Die Kreditversicherer im Jahr 2017

2017 sei ein gutes Jahr für die Kreditversicherer gewesen, erklärte Thomas Langen im Pressegespräch weiterhin. Man habe die Risiken von Zahlungsverzögerungen und Zahlungsausfällen gut einschätzen und minimieren können. Gelingt die Schadenverhinderung nicht, springen die Versicherer ein: Rund 453 Milliarden Euro werden bis Ende des Jahres an die Versicherungsnehmer ausgezahlt werden sein. Die Schadenquote liegt bei 48 Prozent.

Die größten Summen kamen jeweils durch die Pleiten der Einzelhandelskette Butlers, des Küchenherstellers alno, des Unternehmens SolarWorld und durch den Fleischproduzenten Lutz zustande. Die Großpleite von Air Berlin ist wegen der hohen Anzahl an Privatkunden unter den Gläubigern für die Versicherer genauso wenig relevant wie die Pleite des Spielzeughändlers Toys’R’Us in den USA.

Ausblick auf 2018

Mit Spannung betrachtet der GDV die Entwicklung der EU-Richtlinie für einen präventiven Restrukturierungsrahmen. Dies bedeutet, dass Unternehmen schon deutlich vor Eintreten einer Insolvenz in einen Sanierungsprozess gehen. So kann es sich möglicherweise aus der Schieflage befreien. Nachteilig aber: Lieferanten sind dann verpflichtet, trotz drohenden Forderungsausfalls weiter mit dem Pleitekandidaten zusammenzuarbeiten. Wir werden uns diesem Thema in Kürze hier im VIA-Blog widmen.

Kritische Branchen seien unter anderem die Textilindustrie und der Textilhandel, die Papierbranche und der stationäre Handel. Mittel- und langfristig sei es Langen zufolge sehr spannend, wie die Automobilindustrie – besonders die Zulieferer – auf die Herausforderung alternativer Antriebe reagieren wird.

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