27. April 2018

Insolvenzanfechtung: Wenn eine Gesetzesreform alles nur noch schlimmer macht

Etwas mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten des überarbeiteten Insolvenzanfechtungsgesetzes ziehen Anwälte eine vernichtende Bilanz. Das Gesetz hat es – trotz vorab ermutigenden Plänen und des Engagements vieler Beteiligten – nicht geschafft, die Risiken für Unternehmen zu minimieren. Ganz im Gegenteil.

Die Zahl der Anfechtungen sei sogar noch einmal deutlich gestiegen, stellt die Kanzlei Buchalik Brömmekamp in einer aktuellen Stellungnahme zur Insolvenzanfechtung fest. Zum Einen haben die Insolvenzverwalter ihre Praxis, es zumindest mit einer Rückforderung zu versuchen, noch verschärft. Zum Anderen seien Gerichte häufig verunsichert über die neue Gesetzesgrundlage – und setzen die Reform nur teilweise um. Für Unternehmen eine unzumutbar riskante Situation.

Klassischer David-gegen-Goliath-Kampf

Einige Insolvenzanwälte nutzen selbst diese Unsicherheit der Gerichte offenbar aus, indem sie ihren Schreiben an die Lieferanten Urteile beifügen, die ihre Rückforderung untermauern sollen. Damit erleichtern diese Urteile sogar noch die Rückforderung – und die Justiz wird ungebeten zum Steigbügelhalter unverzagter Insolvenzanwälte, weil die betroffenen Unternehmen aus Angst vor jahrelangem Rechtsstreit kampflos aufgeben und sich beispielsweise zu unvorteilhaften Vergleichen hinreißen lassen.

Nun erfüllen auch Insolvenzverwalter schlichtweg ihren Auftrag: Abwicklung der Insolvenz bei Wahrung von Gläubigerrechten, und das so gerecht und umfassend wie irgend möglich. Dazu gehört aber keineswegs, per Gießkannenprinzip sämtlichen Lieferanten der letzten Jahre zu unterstellen, sie haben von einer drohenden Insolvenz ihres Abnehmers gewusst. Und diese dann eben jener selbst auszusetzen: Denn das ist es, was den Lieferanten droht, wenn sie teilweise – wie heißt es so schön – systemrelevante Rückzahlungsaufforderungen für längst gelieferte Waren und Dienstleistungen erhalten. Geldeingänge, die erstens berechtigt und zweitens längst in den Wirtschaftskreislauf des Unternehmens eingeflossen sind.

Ein Gesetz ohne klare Worte

Ein Problem des reformierten Gesetzes sind dessen unklare, missverständliche Formulierungen. Richter haben mit Unwägbarkeiten und einer nicht eindeutig klaren Auslegung der Gesetzesschrift zu kämpfen. Doch was taugt ein Gesetz, das auf nicht exakt definierten Begrifflichkeiten basiert? Zudem müssen wegen der gestiegenen Fallzahlen vermehrt fachfremde Richter urteilen – und sich vorab durch komplexe Thesen und Urteile graben. „Rechtssicherheit sieht anders aus“, fasst Dr. Olaf Hiebert, Buchalik Brömmekamps Spezialist für Insolvenzanfechtung, zusammen, „und Richter, die sich nicht auf das Insolvenzrecht spezialisiert haben, werden gnadenlos überfordert sein.“ Für den rechtssuchenden Bürger sei das eine schlichte Zumutung, ergänzt Hieber.

Wie aber trennt man die Spreu vom Weizen? Wie erfüllt man die Intention des Gesetzes, nämlich: Gläubigern, die durch die Insolvenz ihres Abnehmers auf ihren offenen Rechnungen sitzen geblieben sind, zumindest einen Teil der Insolvenzmasse zukommen zu lassen – und dabei auch aufzudecken, wer von der drohenden Insolvenz schon Kenntnis gehabt und sich durch diesen Wissensvorsprung bevorteilt hat? Um dann, in der Folge, gezahlte Gelder zurückzufordern und unter allen Gläubigern gerecht zu verteilen?

Dazu erfolgt eine schwierige Beweisführung, an dessen Ende ein Umstand besonders merkwürdig ist: Der Insolvenzverwalter kann den Gläubigern unterstellen, dass sie von der drohenden Insolvenz wussten, ohne sicher zu wissen, dass der Schuldner selbst zu diesem Zeitpunkt ahnte, dass er die Rechnungen nicht würde zahlen können. An dieser Stelle wird die Umsetzung des Gesetzes grotesk. Und bitter für all jene, die dann zurückzahlen müssen.

Ein Gesetz, das am Geschäftsalltag vorbeigeht

Immerhin: eine Vereinbarung zur Ratenzahlung lässt nicht mehr allein auf die Kenntnis von einer drohenden Insolvenz schließen. Und: Bargeschäfte sind nicht angreifbar. Leider wird es aber auch hier wieder kompliziert. Ein Bargeschäft gilt nur als solches, wenn zwischen Lieferzeitpunkt und Eingang der Bezahlung nicht mehr als 30 Tage liegen. Allein der Rechnungslauf mancher Unternehmen, beispielsweise aus dem Handwerk, übersteigt diese Frist. Und es ist im täglichen Geschäft nahezu unmöglich, alle Prozesse so zu planen, dass nur Bargeschäfte abgewickelt werden.

Fakt ist: Betroffen sind sehr häufig Mittelständler. Alteingesessene Unternehmen, die sich nichts bewusst zu Verschulden kommen ließen. Und die eine hohe Verantwortung für ihre Mitarbeiter und deren Familien tragen. Und genau jene werden auch ein Jahr nach der Gesetzesreform untragbar hohen Risiken ausgesetzt. Bleibt zu hoffen, dass hier nicht das letzte Wort gesprochen ist – oder zumindest die Auslegung des Gesetzes im Laufe der Zeit eindeutiger wird. Bis dahin bleibt nur Mut – und eine gute Insolvenzanfechtungsversicherung.

Stichwörter: , , , ,